Was ich empfehle und was nicht

 

Es gibt vieles, das als Selbstverteidigung verkauft wird. Es gibt vieles, was als das Nonplusultra in der legalen "Bewaffung" unter die Leute gebracht wird. Vieles ist Humbug, was man aber erst weiß, wenn man es einsetzen soll. 

 

Ich war und bin immer Freund von Aufklärung. Von Ausprobieren, wenn es etwas Neues gibt. Ich mache mir meine eigenen Gedanken zu Selbstverteidigungsangeboten. 

 

1. Selbstverteidigungskurs

 

Empfehle ich jedem. 

Schulung des Selbstbewusstseins, gepaart mit Techniken, die einem im Fall der Fälle aus einer Bedrohungslage heraushelfen sollen. 

 

Das Problem ist das Überangebot. Ihr findet aber schnell heraus, ob der vor euch stehende Trainer zu euch passt, oder nicht (Intuition!). 

 

Für mich ist schon fragwürdig, wenn ich für Selbstverteidigungstrainings "spezielle" Kleidung anschaffen, oder beim Trainer kaufen muss (das schließt hilfreiche Schutzausrüstung nicht ein). Genauso frage ich mich, warum ich eine Gürtelprüfung (sind wir hier im Karate??) machen muss, um einen Level höher zu steigen (wer bestimmt das?), oder warum ich Aufnäher (Patches) kaufen soll, die ich mir an die Kleidung nähen kann (schon mal drüber nachgedacht, dass das so manchen da draußen erst auf den Plan rufen könnte, um euch zu zeigen, wer der Stärkere ist?). Und wozu brauche ich einen Sportlerpass? Bei dieser Aufzählung sind wir übrigens bei mindestens 150 €. Damit ihr euch verteidigen könnt. Kursgebühren und Vereinsmitgliedschaft nicht einberechnet. 

 

Ja, meine Kurse kosten auch Geld. Verständlich. Aber ich möchte nicht, dass ihr euch Dinge anschafft, die euch nichts bringen. Ein Gürtel ist wichtig, um die Jeans oben zu halten. Nicht, um zu zeigen, welchen Level man in der Selbstverteidigung hat. 

 

Also, prüft das Angebot sorgfältig. Macht einen Kurs und überlegt, ob ihr damit gut zurecht kommt. Geht der Trainer auf euch ein, oder zieht er ohne Rücksicht auf Verluste sein Ding durch? Zeigt er euch gleich in der ersten Stunde, dass er zum starken Geschlecht gehört, oder fängt er an, euch aufzubauen, tastet sich heran, achtet auf Triggermomente und körperliche Handicaps? Ihr müsst euch wohlfühlen. Nicht er. 

 

Ich bin nur so gut, wie meine Schüler es sind. Ich bin nicht besser, nur weil ich es schon kann. Das ist meine Einstellung.

 

Und Wiederholung in regelmäßigen Abständen. Nicht nur, um die Technik im Blick zu behalten, sondern auch den Kopf zu programmieren. Denn keine Technik bringt euch etwas, wenn der Kopf nicht mitzieht. 

 

2. Bewaffung

a) Schrei- oder Schrillalarm

 

Grundsätzlich nichts Schlechtes. Gerade in der Kombination mit einem Selbstverteidigungskurs. 

Der Schrillalarm ist einfach in der Bedienung. Man zieht einfach den Stift ab und das Ding schreit mit 150 Dezibel durch die Gegend. 

Aber... was soll es bewirken? Dass der Täter sich die Ohren zuhält und wegläuft? Jemand, der es auf euch abgesehen hat, lässt vermutlich von euch ab. Jemand, der es auf eure Wertsachen abgesehen hat, kann euch immer noch eine überbraten, euch ausrauben und rennt dann. Da kann der Schrillalarm schreien, wie er will. 

Denn ihr zielt auf die Zivilcourage anderer Menschen ab. Dass jemand anderes erkennt, dass das laute Geräusch (in unserer sowieso schon sehr lauten Welt) ein Schrillalarm ist und dass jemand gerade Hilfe braucht. Und dass dieser jemand auch den Mut hat euch zu Hilfe zu eilen. Und weiß, in welche Richtung er laufen muss. 

 

Für ein adäquates Mittel in der Selbstverteidigung sind mir das zu viele Faktoren, auf die ich keinen Einfluss habe.

 

b) Telefonat

Entweder tut ihr so, als würdet ihr telefonieren (Telefon am Ohr - nicht wie eine Schnitte Brot vor dem Mund), oder ihr telefoniert tatsächlich. Mit der besten Freundin, oder einem Dienst, der sich dafür extra anbietet (zum Beispiel Wayguard). 

 

Es soll einen Täter davon abhalten, euch anzugreifen, weil ihr in dem Moment ja diese Person am Telefon um Hilfe bitten könntet. 

 

Echt?

 

Wenn mir jemand hinterrücks eine Holzlatte über den Kopf zieht, fällt mir das Handy aus der Hand und ich habe vermutlich kein Sterbenswörtchen mehr gesagt. Mein Gesprächspartner merkt zwar, dass was nicht stimmt, aber bis der eingreift, liege ich am Boden, meine Wertsachen sind weg. 

 

Plus:

Ich nehme meine Umgebung nicht mehr komplett wahr. Ich bin ja abgelenkt. Ich höre und sehe nicht mehr richtig. 

 

Wenn ich merke, dass ich mich in einer bedrohlichen Lage befinde, sollte ich mich aus dieser heraus in Sicherheit bringen und nicht erst noch ein Telefonat führen. 

 

Der Wayguard hat zwar auch das Konzept der Wegbegleitung im Sinne von, dass ein Angestellter euren Weg per GPS verfolgen kann, so dass man nachvollziehen kann, wo man abhanden kam. Aber das ist auch schon alles. 

Hilfreich ist diese GPS-Funktion, wenn man in Gebieten außerhalb der Städte unterwegs ist, die man nicht kennt. So war zum Beispiel mal ein junges Mädchen auf Entdeckertour, verunfallte und konnte nur noch auf den Hilfebutton drücken. Mehrmalige Versuche, sie zu erreichen, scheiterten, und so rief der Angestellte von Wayguard Polizei und Rettungskräfte auf den Plan, die das Mädchen in der Pampa auch auffanden. Alles gut gegangen. 

 

Aber es sich damit abnehmen zu lassen, auf sich selbst aufzupassen, würde ich nicht empfehlen. 

 

c) Kubotan

 

Der Schlag- und Druckpunktverstärker, der in Deutschland erlaubt ist. Ein kleiner Schlagstock, nicht viel länger als ein Kugelschreiber. Aber sehr deutlich in der Ausübung. 

 

Mit ein wenig Übung ist die Handhabung nicht schwer. Aber auch dies ist ein taktisches Hilfsmittel, das heißt, man muss die gewollte Benutzung vorbereiten und darf nicht erst während der Bedrohungslage danach suchen müssen. 

 

Zudem gibt es große Unterschiede: aus Metall, mit Schlaufe für die Finger oder ohne, mit Spitze oder rund, etc.

Ich empfehle hier welche aus Hartplastik mit runden Enden. Den ein spitz geführtes Ende kann durchaus in einen Menschen eindringen und dann auf Notwehr zu plädieren, kann durchaus schwierig werden. Daher darauf achten, was ihr da kaufen könnt. 

 

d) Pfefferspray, CS-Gas, Tierabwehrspray

 

Auch diese Sprays sind einfach zu bekommen und legal. 

 

Aber... Tierabwehrspray bzw. Pfefferspray sind gegen Tiere zu verwenden. Gegen einen Menschen verwendet, führt das meist zu größeren Schwierigkeiten. Pfefferspray sprüht einen Nebel, sozusagen eine Wolke. Normalerweise richtet ihr diese Wolke eher nach unten, da das Tier meist kleiner ist. Somit ist es wahrscheinlich, dass ihr diese Wolke nicht abbekommt. Richtet ihr diese Wolke gegen einen Menschen (Notwehr, Notwehrexzess, Körperverletzung außen vor gelassen), dann befindet sich diese Wolke auch auf eurer Kopfhöhe, so dass auch ihr etwas abbekommen könnt. Falls dann auch noch der Wind in eure Richtung bläst, kann es sein, dass ihr die einzigen seid, die das Zeug abbekommen. Dann habt ihr es dem Täter sehr einfach gemacht. 

 

CS-Gas bekommt man ausschließlich in Security-Shops oder im Waffenhandel. Sie kosten auch keine 10 Euro, sondern garantiert 25 €. Und es ist das gleiche Mittel, wie das, das die Polizei verwendet. 

Dazu handelt es sich um einen Strahl, wie bei einer Wasserpistole, und nicht um eine Nebelwolke, so dass die Handhabung anders ist. 

Auch gibt es bei manchen Sprays eine Wechselkartusche mit Wasser, so dass man die Funktionsweise und Reichweite einmal testen kann. 

 

Auch das Spray sollte taktisch benutzt werden, also schon griffbereit sein und nicht erst aus den Untiefen der Handtasche gefischt werden müssen.

 

d) Sicherheitsschirm

 

Ähnlich wie der Kubotan, nur länger. 

Für Leute, die gerne einen Schirm dabei haben und ihn evtl auch als Gehstock benutzen. Ein gutes Konzept, aber nicht für ältere Leute, die den Schirm oder Stock als tatsächliche Stütze brauchen und zudem wackelig auf den Beinen sind. 

 

Für effektive Stoßtechniken braucht man einen stabilen Stand. Hat man den nicht, sind die 90€ für den Schirm nicht gut angelegt. Aber auch keine 25€ für einen normalen Schirm.

 

Der Sicherheitsschirm ist deswegen etwas Besonderes, weil die Innenstrebe verstärkt ist, was sich aber kaum auf das Gewicht auswirkt. Der Griff ist aus Hartholz und kann somit sehr gut als Schlaginstrument benutzt werden. 

 

Mit der DVD zusammen kann man die Bewegungen schnell lernen und gut nachvollziehen. 

 

e) Tactical Light

 

Eine Taschenlampe mit sehr hoher Leuchtkraft (2000 Lumen) und zusätzlicher Stroboskop-Funktion (Flackerlicht). 

 

Die NexTorch30 hat drei Helligkeitsstufen und eine Strobo-Stufe. Dazu ist sie vorne so verstärkt, dass sie Panzerglas durchschlägt. 

 

Man kann also nicht nur den Weg erhellen, einen Angreifer blenden, oder schlagen, sondern auch bei einem Autounfall das Glas zerstören. Gut geeignet für Hundehalter, die im Dunklen raus müssen. Die NexTorch30 ist klein, liegt gut in der Hand und hat auch eine Handschlaufe. 

 

f) Schreckschusspistole

 

Hierfür benötigt man einen kleinen Waffenschein. Ohne diesen Waffenschein ist der Besitz und das Führen der Schreckschusspistole nicht erlaubt. 

 

Wichtig ist hier auch ein Kurs, der die Handhabung beibringt und Haltung und Verwendung. Wenn ich mir die Waffe nur kaufe, um sie zu besitzen, fühle ich mich eventuell sicher, setze sie aber unter Umständen in einer Bedrohungssituation nicht ein, da ich nicht mit der Waffe geübt habe und mich nicht mental auf solche Situationen einstellen konnte. 

 

Somit mache ich mich mental mehr kaputt, als würde ich die Waffe nicht besitzen. 

 

3. Alltagsgegenstände

Schlüssel, Handtasche, Handy, Schirm etc.

 

Wie schon gesagt, der Schlüssel zwischen den Fingern. Ja, kann gut funktionieren. Man kann den Schlüssel aber auch verlieren. 

Mit der Handtasche schlagen, oder dem Gegner zur Ablenkung zuwerfen und dann zutreten, kann auch funktionieren. Muss aber nicht. 

Mit der Kante vom Handy zuschlagen, funktioniert sehr gut, aber sobald ihr die Hand öffnen müsst, ist das Handy leider auch am Boden (zerstört). 

Schirm, siehe oben.

 

4. Fazit

 

Jeder muss für sich selbst entscheiden, ob und wie er sich bewaffnen möchte. Eigentlich habt ihr effektive Waffen immer dabei: Hände und Füße.

 

Wichtig ist auch, dass eine Waffe auch immer gegen euch gerichtet werden kann. Zudem müsst ihr zu 100% davon überzeugt sein, diese Waffe einsetzen zu wollen und zu können. Sonst bringt sie euch gar nichts. Zweifel helfen euch nicht. Das ist das gleiche, als würdet ihr zweifeln, euch selbst verteidigen zu wollen. 

 

Hände:

Ihr könnt:

Greifen, kratzen, Ohren abreißen, Finger umbrechen, mit der Handinnenkante schlagen, mit der Faust schlagen.

 

Füße:

Ihr könnt:

Treten - nach vorne, zur Seite, nach hinten, schräg nach unten. Gegen das Knie, in die Genitalien. 

 

Und vergesst nicht:

Beißen könnt ihr auch. Auch abbeißen - ja ist ekelig, aber es geht schließlich um euer Leben. Was macht da schon ein bißchen Ekel ;)